{Literatursommer} Amokalarm im Klassenzimmer*

09:00


Hallo Ihr lieben Buchverrückten,

der Sommer neigt sich schon fast dem Ende zu, aber im September und Oktober ist in Baden-Württemberg nochmals Hochphase angesagt – zumindest was den Literatursommer angeht!

Noch bis Ende Oktober gibt es im Schwabenländle Literaturveranstaltungen rund um das spannende und wichtige Thema "Frauen in der Literatur" zu entdecken. Auch diesen Monat warten noch Lesungen, Impro-Theater, Diskussionen und Co. auf Buchliebhaber! Meine Veranstaltungshighlights habe ich Euch hier herausgesucht.


Alle meine Gedanken rund um Frauenliteratur und Frauen im Literaturbetrieb findet Ihr hier.



Buchige Veranstaltungsberichte live aus dem Ländle – und auf Instagram

Doch vorneweg noch eine Info für Euch: Ich habe nun bereits viermal den Instagramaccount der Baden-Württemberg-Stiftung übernommen und berichte live von Literatursommer-Veranstaltungen. Auch im Nachhinein könnt Ihr sie Euch hier in den Highlight-Stories anschauen.


Existieren Mädchenbücher und Jungenbücher noch? Und noch viel wichtiger: Sollte es sie geben?

Seit August beschäftige ich mich im Rahmen des Literatursommers auch kritisch mit Kinder- und Jugendliteratur. Ich gebe Euch einen kleinen geschichtlichen Exkurs in Kinder- und Jugendliteratur und setze mich mit sogenannten Mädchen- und Jungenbücher auseinander. 
Auch hier bin ich sehr gespannt auf Eure Meinung!

Zu diesem Artikel geht's hier entlang.



Marbach, Heidelberg – und nun Mössingen!


Ende Juli habe ich die "Get Shorties auf Tour" in Marbach am Neckar besucht – und war begeistert von den kurzweiligen Kurzgeschichten und dem schönen Open-Air-Flair am Rathaus. Im August habe ich Euch mit ins wunderschöne Heidelberger Schloss zum "Romantischen Quartett" genommen. Aber meine kleine Baden-Württemberg-Reise im Rahmen des Literatursommers ist noch nicht vorbei. Heute geht es für uns nach Mössingen – eine kleine Stadt unweit von Tübingen!


Nur eine Viertelstunde von Mössingen entfernt: die malerische Altstadt Tübingens 

Denn hier fand am 16. September eine ganz besondere Veranstaltung statt: "Das Bodenpersonal in literarischer Mission" – mit keinem geringeren Special-Guest als der Autorin Lea-Lina Oppermann.


Das Besondere an Lea-Lina: Die Hans-im-Glück-Preisträgerin hat bereits mit 17 Jahren begonnen, ihren Debütroman "Was wir dachten, was wir taten" zu schreiben. Ich hatte das große Glück, Lea-Linas Debüt letztes Jahr bereits vorab zu lesen und in den Genuss einer ihrer ersten Lesungen zu kommen. 

Damit Ihr Euch ein Bild von dem Roman machen könnt, möchte ich Euch diesen kurz vorstellen. Und Euch beschreiben was dieser Roman mit mir gemacht hat. 




"Stell Dir vor, Du sitzt in der Schule und es ertönt eine Durchsage: Amokalarm. "



Denn "Was wir dachten, was wir taten" ist ein Buch, das niemanden kalt lässt. 


"Was wir dachten, was wir taten" handelt von 143 Minuten. 143 Minuten, die das Leben einer ganzen Klasse mehr als nur auf den Kopf stellen können...
Lea-Lina entspinnt ein Gedankenexperiment und verpackt ein sehr brisantes, aufwühlendes Thema mit viel Feingefühl. 

"Vermutlich waren wir nie so frei wie in diesem Moment, nie so nackt."



Denn "jeder, der in der ersten Reihe sitzt, denkt sich für einen kurzen Moment, dass er als erstes dran sein wird – ein bescheuerter Gedanke und doch völlig menschlich", so die junge Autorin im persönlichen Gespräch. So ging es auch ihr selbst. Denn die Romanidee beruht auf wahren Begebenheiten. Als Lea-Lina im Philosophie-Unterricht saß und die Klasse gerade Hannah Arendt diskutierte, ertönte genau diese Sicherheitswarnung. Auch wenn zum Glück recht schnell Entwarnung gegeben wurde, inspirierte die damalige Schülerin der Vorfall. "Was wäre wenn...?"

© Pixabay

Die gebürtige Berlinerin erzählt aus der Sichtweise des Lehrers Herrn Filler sowie seinen beiden Schülern: der Mathequeen Fiona und dem Klassen-Großmaul Mark.

Abwechselnd erhält der Leser Einblicke in das Seelenleben der drei Protagonisten, die sich von einer Sekunde auf der anderen in einer psychischen Ausnahmesituation befinden. Einer Situation, in der es keine Regeln mehr gibt. In der Menschen absolut schutzlos einem Einzelnen ausgeliefert sind. 

Mit diesen drei Sichtweisen spielt auch die Veranstaltung "Das Bodenpersonal: In literarischer Mission". Das Bodenpersonal besteht aus den beiden schwäbischen Engeln Toni und Flori, die auf die Erde geschickt werden und sich plötzlich mitten in der Schule wiederfinden. Genauer gesagt: in einem Klassenzimmer.

Mithilfe eines Kurzfilms katapultieren uns die beiden Engel mitten ins Geschehen. Nicht nur der spannend gemachte Film, auch die Nachahmung eines Klassenzimmers auf der Bühne tragen dazu bei, dass wir Zuschauer uns sofort in die Geschichte einfühlen können. 

Als Lea-Lina und die beiden Schauspieler in verteilten Rollen zu lesen beginnen, macht sich ein beklemmendes Gefühl in mir breit. Man hat fast den Eindruck, als ob man selbst in dem Klassenzimmer eingesperrt sei... 



Wie würdest du reagieren? Wie fühlt es sich an, der Grund für eine Todesangst zu sein? Wie egoistisch und sadistisch ist der Mensch? Wie gut kennt man seine Nächsten eigentlich? Werde ich sterben... habe ich mein Leben richtig ausgekostet?   


All das sind Gedankenfetzen, die dem Publikum im Saal bzw. Lesern des Romans durch den Kopf jagen.
Lea-Lina gelingt es, menschliche Abgründe in einer Extremsituation zu beleuchten – und regt damit zum Nachdenken an. Ein Jugendroman, den ich mir sehr gut als Schullektüre vorstellen kann – da er einiges an Diskussionspotenzial birgt und das Thema im Unterricht gut aufgefangen werden kann!


Nach der Lesung stellen sich die junge Schriftstellerin sowie die beiden Schauspieler den Fragen des ziemlich erschlagenen und doch sehr neugierigen Publikums.



Bücherliebe von klein auf


Im Publikumsgespräch plaudert Lea-Lina aus dem Nähkästchen und gibt Einblicke in ihre Schreiberinnenseele. Ein junges Mädchen fragt, ob sie schon immer Autorin werden wollte. Daraufhin erzählt Lea-Lina, dass ihre Eltern ihr vorgelesen haben bis sie 16 Jahre alt war. "Das war quasi ein Battle zwischen Mama und Papa – wer sucht die bessere Geschichte aus?", lacht sie. 


Jemand aus den hinteren Reihen erkundigt sich nach dem Schreibprozess und möchte wissen, ob sie für das Buch reale Amokläufe recherchiert hatte. Interessant: Lea-Lina berichtet, dass sie erst im Nachhinein recherchiert habe und der Roman nur ihrer Fantasie entspringe. Sehr berührt habe sie die Geschichte einer Schulleiterin, die sie auf einer Lesung getroffen hat. Die Rektorin erzählte, dass sie sich schützend vor die Klasse stellte.




Ein zu brisantes Thema für Teenager?


Für welche Altersgruppe ihr Buch geeignet sei, wird sie von einer älteren Dame aus der zweiten Reihe gefragt. "Ich empfehle das Buch ab 14 Jahren. Testleser war mein damals 14-jähriger Bruder – der heute übrigens die Rolle des Lasse an meiner alten Schule spielt. Dass "Was wir dachten, was wir taten" auch als Theaterstück inszeniert wird, freut mich besonders. Am liebsten lese ich vor 8. und 9. Klassen, da die Kinder in dem Alter noch die Fantasie haben, sich voll und ganz in eine Geschichte hineinzuversetzen und sich mitreißen zu lassen.", so Lea-Lina. 

Allerdings wurde sie auch schon von Lesungen ausgeladen, da manchen Schulleitern das Thema doch zu brisant gewesen sei. Das findet die junge Autorin schade, da sich die Geschichte ihrer Meinung nach sehr gut eignet, um im Unterricht besprochen zu werden. "Die Kinder und Jugendliche werden im Rahmen eines Unterrichtsgesprächs beim Lesen begleitet, sie werden mit dem Stoff nicht allein gelassen. Auch wenn dieser natürlich hart, unbequem, unzensiert und ehrlich ist. Hier geht es ums nackte Überleben." 



Eine sehr interessante und bewegende Veranstaltung geht zu Ende. Und schon beim Herausgehen schnappen sich die Zuhörer das Buch und beginnen zu stöbern. So viel ist sicher: Wer das Buch in dieser Nacht angefangen hat, wird es auch in der Nacht beendet haben.

Bevor ich mich auf den Heimweg Richtung Stuttgart mache, schlüpfe ich hinter den Bühnenvorhang und verabschiede mich von Lea-Lina Oppermann. Auch für das persönliche Interview, das ich vor der Veranstaltung im Café Pausa nebenan mit ihr führen durfte. 


Dieses schöne Gespräch mit dieser wirklich beeindruckenden jungen, inspirierenden Autorin möchte ich Euch nun natürlich nicht vorenthalten.

-> Hier gelangt Ihr zu dem Interview!


Zum Abschluss: In meiner Highlight-Story "LiSo in Mössingen" auf dem Instagram-Account der BW-Stiftung erhaltet Ihr mithilfe kleiner Videosequenzen einen kleinen Einblick in den Lesungsabend!

Ich hoffe, ich konnte Euch einen kleinen Einblick in die Veranstaltung geben und hoffentlich auch Lust auf die Lektüre von "Was wir dachten, was wir taten" machen!


Und last but not least habe ich wie immer noch zwei Fragen an Euch: 


Kennt Ihr Lea-Lina Oppermanns Roman schon? Welches Buch sollte Eurer Meinung nach Schullektüre werden?




Ich wünsche Euch noch einen schönen lesereichen Freitag und einen guten Start ins Wochenende,
Eure Hannah



*Dieser Beitrag ist in liebevoller Kooperation mit der BW-Stiftung entstanden. Ich freue mich sehr, Bloggerin für die literarische Veranstaltungsreihe sein zu dürfen.


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2 Kommentare

  1. Das scheint echt toll gewesen zu sein! Das Buch behalt ich mir im Hinterkopf :)

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    1. Das freut mich, denn es lohnt sich wirklich sehr, liebe Mila! :)

      Liebe Grüße und Dir noch einen schönen Lesesonntag, Hannah

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